Den vierten Sommer erleben wir jetzt hier – und jeder war anders. Eins ist gleich geblieben: Es summt, es flattert, es duftet, es ist bunt, es pulsiert, es explodiert – mitten in der Stadt, einer Industriestadt, eine Riesenbeton-Dachterrasse, aus der ein Dachgarten in Töpfen und Kübeln und Kästen geworden ist. Sommer in der Stadt … auf eine andere Weise.
Rückblick und Ausblick
Vieles begleitet uns seit nunmehr vier Jahren, noch mehr ist dazugekommen und es wandelt sich, weil Natur stetige Veränderung ist. Vieles ist wunderschön geworden – anderes wurde verworfen, weil es doch nicht gepasst hat. Sonnige Südlage ist nicht gleich sonnige Südlage. Hier oben ist es windig und einige Grad kühler als unten vor der Tür – obwohl dies nur Stockwerk 2,5 ist … Unglaublich nicht wahr …
Etliches werde ich im Spätsommer und Herbst wieder ändern – eben will es nicht so geworden ist, wie ich es mir gewünscht habe – anderes hat mich aufs Schönste überrascht und ist schöner geworden, als ich es mir hätte ausmalen können.
Der Wiesenkübel wird zum Trockenkübel werden – die Gräser werden bleiben, die Wiesenmargariten, im ersten Jahr mein Traum, werden gehen … nicht schön, überwuchern alles, blühen wenig, sind niedrig und strecken ihre weißen Körbchen nicht mehr in den blauen Himmel. Dafür werden Kugeldisteln und Steppensalbeis und eine Fackellilie und eine orange niedrige Iris und … einziehen. Die Gräser bleiben, die Snow Flurry bleibt, der Wiesen-Ehrenpreis bleibt.
Und so geht das von Außenkübel zu Außenkübel. Das meiste bleibt, einiges ersetze ich. Diese Betonkübel sind ein extremer Sonderstandort … sonnig, windumtost und exponiert – und trocken.
Die Weidenstecklinge von Wildbiene.com sind allesamt gewurzelt und wachsen unfassbar schnell. 4 habe ich bestellt, 6 bekommen – alle sind was geworden. Jeweils 2 der Purpurweiden und der Immerblühenden Mandelweide sind hier geblieben, die anderen jeweils 1 sind zum Nachbarn umgezogen. Die Immerblühende Mandelweide blüht schon, hat einige Kätzchen und hält schon im ersten Sommer, was sie mit ihrem Namen verspricht. Ich freue mich aufs Frühjahr.
Tomaten … ich werde nächstes Jahr keine mehr machen. Die letzten Sommer erstmals aufgetreten Reiswanzen sind wieder da und dieses Jahr vermasseln sie mir die Freude. Solange es keine Fressfeinde für die sehr hübschen Nervtöter gibt, werde ich anderes Gemüse pflanzen – gibt ja genügend Auswahl und bei unserem türkischen Supermarkt hervorragende Tomaten, die er auch aus Gärten der Umgebung bekommt. Man muss das pragmatisch sehen und machen, was geht.
Vor der Terrassentür, wo auch unser Sitzplatz ist, haben wir groben Rindenmulch verteilt – das ist hervorragend bei Hitze im Sommer, weil der Boden kühl bleibt, der Mulch saugt Wasser auf und gibt es dann wieder ab und kühlt so die Luft. Außerdem riecht das fein nach Wald.
Ansonsten war dieses Jahr ein Jahr des Selbstfindens, des neu Ausrichtens und der neuen Erkenntnisse auf allen Ebenen. 😊
Zusammenleben auf engem Raum
Spannende Erlebnisse jeden Tag … und in diesem trockenen Sommer, der gerade zum nassen Sommer wird, ist diese Terrasse wie eine Oase. Mein Mix aus heimischen Wildpflanzen und Trockenliebhabern in Kombination mit nordamerikanischen Präriepflanzen, dazu einige Mittelmeer-Trockenliebhaber und Steppen-Schönheiten hält sich der Gießaufwand in Grenzen. Dazu kommt mulchen, mulchen, mulchen und selber kompostieren. Man kann viel machen, wenn man mit der Natur zusammenarbeitet.
Neben verschiedenen Wildbienen gibt es hier Massen von Hummeln. An den besonders heißen Tagen, so ab 35 Grad am Nachmittag, kommen sowohl Hummeln als auch Grabwespen herein, um sich abzukühlen. Es gab etliche Tage, an denen die Gardine zur Hummelschaukel wurde und an den Wänden Grabwespen und Hummeln saßen, sich einige Minuten abkühlten und dann wieder rausflogen. Eine spannende Erfahrung.
Die Holzbienen sind auch wieder da, unfassbar viele Käfer, die üblichen Wanzen – dazu das zweite Jahr in Folge die tropische grüne Reiswanze, die übrigens ziemlich hübsch ist, obwohl sie mir meine Tomatenliebe vermasselt hat, ab und zu eine Libelle, das kolibriähnliche Taubenschwänzchen, etliche Schmetterlingsarten, Raupen und natürlich Wespen, verschiedene Arten. Die harmlosen Feldwespen sitzen hier übrigens in den Wiesensalbei-Horsten. Sie sitzen da drin, man sieht sie erst, wenn man die Pflanzen gießt, dann kommt einem eine Wolke dieser langbeinigen Wespen entgegen. Die „normalen“ Wespen füttere ich mit Obst. Es gibt eine Stelle etwas abseits, da lege ich dann Obststücke hin. Melonenschalen mit noch etwas Frucht dran, angedatschte Pflaumen oder schon angefaulte Äpfel mögen sie besonders. Unfassbar wie viele Wespen auf 10 Quadratzentimeter Apfel passen 😊.
Letzte Woche ist Flip an mir vorbeigeflogen, im Schnittlauch gelandet, drin rumgekrabbelt und wohnt jetzt im Hochbeet im Paprika 😊. Schöne Erlebnisse sind das.
Die Wurmlinge vom März 2020 gibt es auch immer noch und sie haben die Dachterrasse ganz Pinky-und-Brain-mäßig erobert. Kein Fleckchen, wo keine sitzen. Das sind natürlich nicht mehr dieselben, sondern Nachkömmlinge in verschiedenen Stadien ihres Seins. Ein sich selbst erhaltendes System ist das. Einfach schön zu erleben.
In diesem Sinne wünsche ich Euch wunderschöne sonnige und jetzt folgende regnerische Spätsommertage (wer Blumen will, muss Regen lieben). Ich bin bereits in Planung für noch einige Töpfe. Ein paar mehr gehen noch 😊.
Herzensgrüße Bettina 😘
P.S. Wassermangel im Sommer
Eine Herzensangelegenheit, weil ich dieses Jahr so oft in Gartengruppen Beiträge gesehen habe von Menschen, die ihre Gärten mit trauerndem Herzen vertrocknen ließen, weil es die Propaganda über den Wassermangel so wollte.
Erstens: Gärten sind unversiegelte Flächen. Das dort ausgebrachte Wasser fließt wieder dem Grundwasser zu. Was man von dem von der Industrie und Autowaschanlagen und sonstigem Unsinn verbratenen kostbaren Nass nicht behaupten kann – das fließt in die Kläranlagen … nicht zum Grundwasser wie das unserer Gärten.
Zweitens: Es nützt uns Menschen nix, absolut gar nix, wenn wir unsere Gärten nicht gießen und die letzten der ohnehin dezimierten Insekten und damit einhergehend die komplette Nahrungskette ebenfalls den Heldentod sterben. Und wir dann, weil die Vögel keine Nahrung finden, weil alles verdorrt ist, dann Vogelfutter rauspacken, weil wir Vögel lieben. Die Futterproduzenten brauchen auch Wasser … Wir leben also einen Umweg – wie bei so vielem in diesem irrsinnigen System.
Ja, ich bin für Vogelfütterung – aber lasst uns um Himmels Willen nicht nur Vogelfutter rauspacken und Wasser, sondern auch unsere Pflanzen gießen, die die gesamten Wildtiere inklusive Insekten DIREKT nähren können … Direktes Leben … kein Umweg über Geld … Geht übrigens bei ziemlich vielem 😉
Drittens: Am meisten Wasser sparen wir, wenn wir so wenig wie möglich konsumieren. Bedenke: Für eine einzige läppische Jeans oder ein T-Shirt werden tausende Liter Wasser gebraucht – und zwar nur bei der Produktion. Vom Anbau des Wassersäufers Baumwolle in trockenen Gegenden reden wir dabei jetzt mal nicht. Oder Avocados und Frühkartoffeln aus Israel, wofür der Jordan leergepumpt wird. Oder, oder, oder …
Für jedes einzelne Produkt, das ich habe und weiterverwende, reparieren lasse und nicht neu kaufe. Für jedes Produkt, das ich NICHT kaufe … spare ich mehr Wasser, als ich das ganze Jahr auf meiner Dachterrasse an meine insektenfreundlichen Pflanzen vergieße.
Viertens: Lasst uns nicht alles glauben, was uns Hinz & Kunz erzählen, sondern selbst beobachten, selbst unsere Schlüsse ziehen, selbst darüber nachdenken und nachfühlen und dann aufgrund unserer eigenen Erfahrung dementsprechend bewusst, liebevoll, ganzheitlich und ECHT nachhaltig (nicht grüngewaschen) handeln. 😘